Zemanek-Münster

Gedenkkopf einer Königin-Mutter "uhunmwun eloo", 19. Jahrhundert

Nigeria, Königtum Benin
verkauft 38.000 €
Provenienz
Rudolf Mosse (1843-1920), Berlin, Germany
Hans Lachmann-Mosse, Berlin, Germany / Oakland, USA
Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 29 May 1934, Kat.Nr.178
H. Benninghaus, Oberhausen, Germany
Galerie Bassenge, Berlin, 3 - 7 May 1966, lot 2248
Gerda Bassenge, Berlin, Germany
Family Collection Bassenge, Berlin, Germany
Größe
H: 54,5 cm
H: 21.5 inch

Beschreibung

Bronze, im Wachsausschmelzverfahren (“cire perdue”) gegossen, hoher zylinderförmiger Kragen aus Korallenperlen, von einem Netz aus Korallenperlen überzogene spitzkonische Kopfbedeckung (“ede iyoba”), sechzehn Perlschnüre, sechs Narbenskarifikationen “ikharo, ausgestülpter Rand mit Flechtbanddekor, runde Öffnung im Kopf (lt. Luschan gusstechnisch begründet/anderen Quellen zufolge zum Einfügen eines Stoßzahnes), kleinere Fehlstellen im Guss.

In früheren Zeiten war es üblich, die Königin, die den zukünftigen “oba” geboren hatte, nach der Krönung ihres Sohnes “verschwinden” zu lassen. Sie sollte kein weiteres (männliches) Kind mehr gebären, um potentielle Konflikte um die Thronfolge zu vermeiden. Oba Esigie jedoch setzte dieser Tradition bei seiner Krönung im frühen 16. Jh.ein Ende. Er erbaute seiner Mutter Idia im Dorf Uselu (heute ein Stadtteil von Benin City) einen eigenen Palast, wies ihr Dörfer zu ihrer Versorgung zu und verlieh ihr viele Privilegien sowie Macht- und Statussymbole. Aus Dankbarkeit stellte Idia eine eigene Armee auf und unterstützte ihren Sohn erfolgreich im Kampf gegen die Igala. Sie war somit die einzige Frau, von der es hieß sie “sei in den Krieg gezogen”.
In der Folgezeit wurde jeder weiteren, ihr folgenden Königin-Mutter der Titel “iyoba” verliehen und ein eigener Herrschaftsbereich zugewiesen. Die “iyoba” besetzte als einzige Frau eines der höchsten Ämter Benins und war in der politischen Hierarchie den obersten städtischen Titelträgern gleichgestellt. Nach dem Tod einer Königinmutter wurde vom “oba” ein Bronzekopf in Auftrag gegeben und auf einem der “iyoba” gewidmeten Ahnenaltar im Palast aufgestellt. Als Hinweis auf ihre offizielle Funktion wurde die Königinmutter wie hochrangige männliche Würdenträger mit Insignien aus Korallenperlen dargestellt.
Ein Kopf des gleichen Typus’ ist abgebildet im Standardwerk Felix von Luschans über die Altertümer von Benin aus dem Jahre 1919 (Bd. III, Tafel 62 rechts). Wie 2012 von Schlothauer nachgewiesen, stammt dieser Kopf ursprünglich aus der Benin-Sammlung des Museums für Völkerkunde Berlin und wurde 1898 (von Konsul Schmidt) erworben. Ein weiterer Kopf dieses Typus’ ist abgebildet bei Duchateau (S. 52, Kat. 27), er stammt aus der Sammlung G. Haas von 1899. Der hier angebotene Gedenkkopf ist stilistisch auf Grund der weniger realistischen, mehr schematisierten Wiedergabe der Gesichtszüge und des etwas dickwandigeren Gusses ebenfalls diesem späteren Stil der Gedenkköpfe zuzuordnen.

Rudolf Mosse (1843-1920), als Sohn jüdischer Eltern geboren, baute mit gutem Gespür und großem Fleiß ein Zeitungsimperium auf, zu dessen wirtschaftlich erfolgreichsten Publikationen das Berliner Tagblatt gehörte. Bereits 1882 war er so wohlhabend, dass er in der Mitte Berlins, am Leipziger Platz 15, ein Stadtpalais errichten ließ, das den geeigneten Rahmen für den Aufbau seiner repräsentativen Kunstsammlung bildete. Seine Kollektion enthielt zeitgenössische deutsche Malerei (Adolf Menzel, Lovis Corinth, Carl Spitzweg, Wilhelm Leibl, Arnold Böcklin) aber auch Gemälde alter Meister, ägyptische Altertümer und Benin-Bronzen. Neben dem hier angebotenen Gedenkkopf einer Königin-Mutter “uhunmwun eloo”, sind neun Bronze-Reliefplatten, sowie der Gedenkkopf eines Oba dokumentiert.
R. Mosse war einer der ersten Kunstsammler, der mit dem Kunstkritiker Fritz Stahl (1864-1928) zumindest zeitweise einen Berater bei seinen Käufen in Anspruch nahm. Auch mit Felix von Luschan und Hans Meyer soll Mosse gut bekannt gewesen sein. War Stahl der Berater bei Gemälden, könnten sie ihm beim Kauf afrikanischen Kunstobjekte zur Seite gestanden haben. Luschan (1854-1924) war von 1905 bis 1910 Direktor des Museums für Völkerkunde Berlin. Hans Meyer (1858-1929) trug selbst eine bedeutende Sammlung von 53 Benin-Objekten zusammen, die zwischen 1900 und 1919 an das Museum für Völkerkunde zu Leipzig ging und heute zu den größten Kostbarkeiten des Hauses gehört.
Mit dem 1. Weltkrieg scheint R. Mosse seine Sammlertätigkeit abgeschlossen zu haben. Er verstarb am 8. September 1920. Sein Schwiegersohn, Hans Lachmann-Mosse, der nach seinem Tode die Führung des Mosse-Konzerns übernahm, war auf künstlerischem Gebiet eher an Musik und Architektur interessiert. Er scheint der Sammlung keine neuen Stücke hinzugefügt zu haben, erhielt die Sammlung seines Schwiegervaters jedoch in der bestehenden Form und hielt sie in hohen Ehren.
Bereits während der Hyperinflation 1922/23 ging ein Teil des Firmenvermögens verloren. Ab 1926 geriet der Verlag in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten und mußte im Herbst 1932 Konkurs anmelden. Kurz nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 zerschlugen die Nationalsozialisten das angeschlagene Firmenimperium. Hans Lachmann-Mosse mußte im April 1933 nach Frankreich emigrieren und von dort aus zusehen, wie die von den Nationalsozialisten eingesetzte „Rudolf Mosse-Treuhandverwaltung“ die Kunstsammlung seines Schwiegervaters am 29. und 30. Mai 1934 über das Auktionshaus Rudolph Lepke‘s in Berlin versteigern ließ.

»Die Provenienz-Recherche mit dem Ergebnis, dass der Benin-Kopf aus der ehemaligen Benin-Sammlung von Rudolf Mosse (1843-1920) stammt, war mit Hilfe der Foto-Datenbank »Benin-Objekte in Europa« möglich, die seit 2014 von Audrey Peraldi und Andreas Schlothauer aufgebaut wird. Das Projekt wird vom Research Centre for Material Culture gGmbH, Berlin finanziert.«

Um unserer Verantwortung und Dokumentation gerecht zu werden möchten wir Folgendes erklären:

Dieses Objekt ist wie alle kolonialen Objekte möglichen Rückgabeansprüchen ausgesetzt. Nach unserer Prüfung ist der Verkauf nach deutschem Recht legal. Der Verkäufer übernimmt aber dennoch keine Haftung dafür, dass keine Rückgabeansprüche gestellt werden. Der Verkauf dieses Objekts erfolgt daher unter Ausschluss sämtlicher Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche im direkten oder indirekten Zusammenhang mit Rückgabeforderungen.”


Expertise

Thermoluminescence expertise No. 01 R090218, 11 February 2018, Ralf Kotalla, Haigerloch, Germany (175 years +/- 20-35 %)

Vergleichsliteratur

Luschan, Felix von, Alterthümer von Benin, Textband, p. 351 und Band III, Tafel 62, Berlin/Leipzig 1919 Duchateau, Armand, Benin, Paris 1990, p. 52, ill. 39 Schlothauer, Andreas, Gefunden - Drei Beninköpfe ehemals Berlin, In: Kunst und Kontext 03 (2012), p. 77-80 Stefan Pucks, Die Kunstsammlung des Verlegers Rudolf Mosse, in: GWZ, 2015, Sonderdruck, S. 39-50

Publikationen

Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 29. Mai 1934, Tafel 21, Kat.Nr.178

AHDRC: 0150365


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